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Rückblicke zum Anfassen: Retrospektiven psychodramatisch gestalten

Wenn ein Projekt in einem Team gestartet wird, finden Menschen, Ideen, Werte und Vorstellungen zusammen, die unterschiedlich sind und ihre Entstehungsgeschichte in sich tragen. Projekte werden meist sehr zukunftsgerichtet angegangen. Es wird der Vision Platz eingeräumt, die Planung, Terminierung und Umsetzung von Maßnahmen bestimmen den Takt. Es wird nach vorne geschaut und oft ungeduldig nach Antworten gesucht. Nicht selten verfallen die Einzelnen und/oder das Team insgesamt in Aktionismus, die Komplexität steigt und es wird schwierig, alle Projektstränge zu verfolgen und weiterzubringen. Ein Team gerät aus der Puste und das Projekt verliert an Schwung, im schlimmsten Fall scheitert es.

 

Mein Kollege Heiko und ich (Agile Acting) begleiten Teams und Organisationen in unterschiedlichen Phasen ihrer Entwicklung. Bei unserem letzten gemeinsamen Projekt sind wir mit einem wunderbar bunten und kreativen Team in seinen Findungsprozess eingetaucht und haben an einem Wochenende die Zeit angehalten, um im Hier und Jetzt zu verweilen und auch einmal zurückzublicken. Bei der Entwicklung des Seminardesigns haben wir uns gefragt, was die Gruppe an dem geplanten Wochenende von uns brauchen könnte und kamen ziemlich schnell und beide zu dem Schluss, dass für dieses Team und in diesem Moment das wertvollste Geschenk gemeinsame Zeit sein könnte. Zeit zum Atem holen, sich Fragen zu stellen, sich gegenseitig wahrzunehmen und anzuschauen, was da ist. Aber auch Zeit,  auf den Weg zurückzuschauen, der jede:n Einzelne:n bis hierher gebracht hat.

 

ZEIT war die Überschrift, die wir den zwei Impulstagen an einem kalten und verschneiten Wochenende gegeben haben. In einer individuellen Retrospektive haben die Teilnehmenden für sich geschaut, welche Motive und Impulse, welche Begegnungen und Zufälle sie dazu bewogen haben, dieses gemeinsame (in dem Fall ehrenamtliche) Projekt zu starten. Und weil "Handeln heilender als Reden" ist und die psychodramatische Arbeit so viele Möglichkeiten anbietet, das was uns bewegt sichtbar und erlebbar zu machen, haben sie ihren Weg nicht erzählt, sondern erst einmal gespürt und dann plastisch gestaltet. Mit Symbolen, Bildern, Gegenständen haben sie eine kleine Bühne eröffnet für ihren ganz persönlichen Weg, seit der ersten Idee in Bezug auf das Projekt bis zum jetzigen Zeitpunkt. Es ist zunächst ein wunderschönes Bild im Raum entstanden, eine Ausstellung von Gefühlen, Wünschen, Hoffnungen, Ideen, die wir gemeinsam schweigend angeschaut haben. Alle Teilnehmenden hatten dann nacheinander die Möglichkeit, ihrem Weg entlang zu gehen und ihre Wahl der verschiedenen Symbole zu erläutern. Diese Aktivität war für die Einzelnen und die Gruppe eine emotionale Reise zum Hier und Jetzt ihres Projekts, das an dieser Stelle symbolisch von dem Team als "Wir", als Summe seiner Teile, angepackt wurde. Eine Reise vom Ich zum Wir, die so wichtig ist für den Findungsprozess der Gruppe. Erst am nächsten Tag ging es um die gemeinsame Vision und mögliche Wege dahin.

 

Wir haben am Ende des Seminars ein Team hinterlassen, das von den Themen der zwei Tage berührt und gleichzeitig motiviert zum Weitermachen war. In der Abschlussrunde fiel in Bezug auf das weitere Vorgehen im Projekt oft das Wort Zuversicht. Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit und die neuentstandene, tiefere Verbindung zwischen den Teammitgliedern war zu spüren. Die Leichtigkeit, mit der wir in die Tiefe der Themen eingestiegen sind, hat die Gruppe durch zwei angenehme und zugleich wichtige Tage getragen. Mit den gewonnenen Impulsen und Erkenntnissen wird das Team mit neuem Elan ihr Projekt weiterführen. Und wir als Begleiter gehen aus diesen 2 Tagen genauso bereichert und wie immer wieder aufs Neue beeindruckt von der Wirkung des Handelns.

 

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