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Integration durch Resonanz im Fremdsprachenunterricht

Integration durch Resonanz im Fremdsprachenunterricht

Seit einiger Zeit begegnet mir der Begriff Resonanz in verschiedenen Kontexten immer wieder: In Podcasts, LinkedIn Posts oder Fachartikeln in Zeitschriften setzen sich Berater, Pädagogen und Führungskräfte mit der Idee des „Mitschwingens“ auseinander und holen sie aus der Esoterikkiste, um ihre Wirkung auf unterschiedliche Lebensbereiche zu lobpreisen. Eine große Rolle bei der Verbreitung der Resonanztheorie dürfte das 2019 erschienene Buch von dem Soziologen Hartmut Rosa, Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung, gespielt haben. 

Auch ich habe mich mit der Theorie von Hartmut Rosa und mit seinem Buch beschäftigt und immer wieder erkannt, wie Resonanzerfahrungen Menschen zu einer positiven Beziehung zu sich selbst, zu den anderen und zur Welt verhelfen. 

Nun, bevor das Wort Resonanz zum neuen Buzzword wird (und somit an Bedeutung und Inhalt verliert) und als erlernbares oder erzwingbares Allheilmittel präsentiert und verkauft wird (ähnlich wie es der Resilienz passiert ist), möchte ich ein paar Gedanken darüber festhalten, wie die Erfahrung von Resonanz in meinen Sprachkursen mich immer wieder rührt und positiv überrascht. 

 

Kennst du das Gefühl, mit einem Menschen auf einer Wellenlänge zu sein und stundenlang über Gott und die Welt mit ihm reden zu können? Oder das Gefühl der völligen Geborgenheit in einer Gruppe von Menschen, die genauso „ticken“ wie du? Kennst du die Erfahrung, mit einem Thema so im Einklang zu sein, dass dieses sich wie eine Tür anfühlt, die sich auf neue Welten öffnet? Warst du schon in einer Aufgabe so vertieft, dass du die Zeit vergessen hast?

Ich vermute, dass in all diesen Momenten Resonanz im Spiel ist und dazu beiträgt, dass wir unseren Platz finden, dass Arbeit gelingt und dass Neues verinnerlicht und integriert (was viel mehr als „gelernt“ ist!) wird. Denn der Mensch ist ein Resonanzwesen, wie Hartmut Rosa es beschreibt. Resonanz baut eine Beziehung zum Leben auf und fehlende Resonanz führt zur Entfremdung. Dadurch wird klar, wie wichtig der Aufbau von Beziehung überall da ist, wo Menschen zusammen etwas lernen oder bewirken sollen. Beziehung zueinander, zum Thema, zu den eigenen Gefühlen ist die Voraussetzung jeder gelungenen Lernerfahrung. 

 

Am vergangenen Samstag, in einem Tagesseminar „Deutsch als Fremdsprache“ mit der PDL Methode für Mitarbeiter der Firma Soyez Stuckateur GmbH in Ilsfeld, wurde mir wieder einmal klar, wie der Erwerb einer Sprache da anfängt, wo diese nicht mehr als „fremd“ empfunden wird. Wenn es deine Worte sind, kann es deine Sprache werden: Nach der Maxime von Bernard Dufeu, dem wir die Erfindung und Erprobung der Sprachpsychodramaturgie als alternative Lehrmethode verdanken, soll der Fremdsprachenunterricht vom Ausdruckswunsch der einzelnen Lernenden oder der Gruppe ausgehen und dann die benötigten sprachlichen Mittel liefern. Anders als im traditionellen, schulischen Unterricht, in dem eine doppelte Verfremdung stattfindet: Eine Sprache, die fremd ist und Inhalte, die ebenfalls fremd sind in dem Sinne, dass die Teilnehmenden sie nicht als eigen empfinden. Und hier finden wir das Konzept der Resonanz wieder, als positive, lebendige Beziehung zur Fremdsprache und zu einem Thema oder einer Situation. Das erinnert an die These der Neurowissenschaften, die bestätigen, dass Lernen umso effektiver und nachhaltiger ist, je mehr wir emotional involviert sind. Lernen durch Erleben ist, sofern es nicht nur eines von den vielen, ausgenutzten Slogans ist, sondern sich auf entsprechenden methodischen Grundlagen stützt, die nachhaltigste Form von Lernen.

 

Zurück zu meinem Deutschseminar vom letzten Samstag: Die Gruppe setzt sich zusammen aus 12 bis 15 Männern zwischen 27 und 56 Jahren, die unterschiedlicher Herkunft sind und zusammen als Maler und Stuckateure für eine Firma im Stuttgarter Umland arbeiten. Manche sind erst seit wenigen Monaten in Deutschland, andere schon seit mehreren Jahren, haben aber trotzdem noch Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache und somit mit ihrer Integration in dem Land, dass sie, zumindest auf Zeit, als ihren Wohnsitz ausgewählt haben. Es braucht noch ein langer Weg, bis es zur Wahlheimat wird, wenn Heimat bedeutet, sich zu Hause zu fühlen. 

 

Was braucht es, damit sie sich in dem Land und in der Fremdsprache zu Hause fühlen?

In erster Linie braucht es eine Beziehung zur Sprache, ihrer Melodie und ihrem Rhythmus, ihrer Art die Welt zu beschreiben. Beziehung bauen wir durch Sinneseindrücke auf. In den ersten Phasen eines Sprachkurses mit der PDL Methode liegt der Fokus auf das Zuhören und Wiedergeben von kleinen sprachlichen Sequenzen, die ein Thema aufgreifen, das für die jeweiligen Teilnehmenden oder die Gruppe präsent und relevant ist. Durch Ausprobieren, Fehler machen, Wiederholen angeln wir uns durch die Sprache. Zwei Schritte vorwärts, zwei Schritte zur Seite, wenn nötig einen Schritt zurück. Mit dem eigenen Rhythmus nehmen sich die Einzelnen Zeit, in der Sprache zu verweilen, sie wahrzunehmen und aufzunehmen.

Bei dem Tagesseminar am Samstag drückte ein Teilnehmer, ausgehend von einem Wort, seine Liebe zur Musik aus, der nächste sprach über seine Vorliebe für Kaffee, und ein Teilnehmer betonte, wie anstrengend es sei nach einer harten Arbeitswoche am Samstag noch Deutsch zu lernen. Es findet eben das Ausdruck, was spontan einfällt und die Menschen in dem Moment beschäftigt. In den folgenden Schritten erfährt der Einzelne die Resonanz der Gruppe zu den angesprochenen Themen, Zustimmung oder Dissens, oder ergänzende Aspekte. Es werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede entdeckt und der Kontakt untereinander wird somit gefördert. Aus vielen Einzelnen wird eine Gruppe mit einer eigenen Dynamik und Kohäsion.

Jeder Aktivität schließt sich eine Reflektionsphase an, Worte und Sätze werden nochmal aufgenommen, wiederholt und eventuell aufgeschrieben; es werden auch Fragen zu sprachlichen Strukturen und Grammatik beantwortet, falls sie auftauchen (und nur dann, nach dem Prinzip folgen statt vorauszugehen.

In Kleingruppen wird die Arbeit vertieft, es werden zum Beispiel Vokabeln gesammelt und erste kleine Sätze und Texte geschrieben und der Großgruppe vorgestellt. Zum Abschluss kommen die Teilnehmenden nochmal zusammen und teilen ein Kommentar, ein Feedback, oder ihr momentanes Befinden mit den anderen.

 

Die schöne Erfahrung bei dieser Gruppe von Lernenden ist für mich zu sehen, wie die Einzelnen langsam das Eis brechen und sich mitteilen, oft zuerst durch Haltungen und Bewegungen, dann mit einzelnen Worten und dann mit Sätzen. Die Hemmung, eine Fremdsprache zu sprechen ist oft eine Hemmung in Beziehung zu gehen, vielleicht aus Angst Erwartungen nicht zu entsprechen, oft weil man in dem fremden Land keine Offenheit erfährt und sich abgewiesen fühlt. Überall, wo Resonanz erzeugt wird, baut sich eine kleine Verbindung auf: Zu einem Menschen, einem Thema einer kulturellen Eigenschaft des Gastlandes. Zu Anfang des Seminars kommen zwölf einzelne Menschen, am Ende des Tages geht eine Gruppe mit einem gemeinsamen Erleben nach Hause. 

Resonanzerfahrungen geben uns das Gefühl der Gemeinschaft, der Zugehörigkeit. Wir fühlen uns gesehen, gehört, verstanden. Das ist alles, was Integration braucht. Und das wertvollste, das die Teilnehmenden aus dem Sprachunterricht mitnehmen sind nicht die Vokabeln und die sprachlichen Strukturen, die sie dann beherrschen, sondern vielmehr das Gefühl, einen Platz in einer Gemeinschaft zu haben und auf dem Weg der Integration nicht allein zu sein.

 

Ich bin sehr dankbar, diese Gruppe von Mitarbeitern der Firma Soyez weiter begleiten zu dürfen bei der Fortführung dieser Seminarreihe. Jeder kleine Schritt der Einzelnen zum selbständigen Ausdruck in der deutschen Sprache ist für mich ein Erfolg auf dem Weg zu einer menschlichen Integration.

 

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